Nachfolge geregelt: Prinzipal Christian Stratmann gibt Paläste an Herner Kulturmanager Marvin Boettcher ab

Theater-Nachfolge ist geregelt: Boettcher folgt auf Stratmann. 35-jähriger Kulturmanager aus Herne übernimmt als Eigentümer die Verantwortung für Mondpalast und RevuePalast – Prinzipal bleibt den Häusern als Berater und „Gästeversteher“ verbunden – Neue Komödien und Shows für 2023 bereits in Planung


Herne/Herten, im März 2023. Fast zwei Jahrzehnte nach Gründung und Aufbau des Volkstheaters Mondpalast von Wanne-Eickel gibt Prinzipal Christian Stratmann das Zepter an einen Nachfolger weiter: Ab April trägt der studierte Kulturmanager Marvin Boettcher aus Herne die Verantwortung für Deutschlands großes Volkstheater. Auch den RevuePalast Ruhr, 2009 auf Zeche Ewald in Herten eröffnet, wird der 35-jährige Theaterdirektor in Stratmanns Sinne weiterführen.

„Wir sind sehr froh, dass es uns gemeinsam gelungen ist, die Nachfolge in aller Ruhe sorgfältig vorzubereiten und einvernehmlich zu regeln,“ sagen Christian Stratmann und Marvin Boettcher nach den intensiven Verhandlungen der letzten Wochen. Stratmann weiß seine Häuser in guten Händen. Marvin Boettcher lernte die Arbeit des Mond- und des RevuePalasts von der Pike auf kennen. Bereits während des Studiums widmete sich der damals 22-Jährige dem Aufbau der „Wanne-Eickeler Kammerspielchen“. Anschließend setzte Boettcher sein Studium als Kultur- und Eventmanager fort. Nach Stationen am Thalia-Theater und bei der Werbeagentur Jung von Matt, beide in Hamburg, kehrte er von 2015 bis 2019 als geschäftsführender Intendant an die Stratmann-Häuser zurück. Danach sammelte er weitere Erfahrungen bei der Messe Dortmund, wo er die Messen „Best of Events“ und „Intermodellbau“ verantwortete sowie den BrandEx Award, eine Kreativ-Auszeichnung für erfolgreiche Live-Kommunikation. Später wechselte Boettcher in die Direktion der GOP-Varietés Essen und Bonn.

Verbindung riss nie ab
Über all die Jahre riss die Verbindung zwischen Stratmann und Boettcher nie wirklich ab. Im Sommer 2022 offenbarte Stratmann Marvin Boettcher in einem Gespräch, dass er intensiv nach einem Nachfolger suche, der die Paläste nach den Corona-Lockdowns wieder in Schwung bringen könne. „Die Offenheit des Prinzipals hat mich tief beeindruckt“, erinnert sich Marvin Boettcher an diesen Moment. Im August 2022 übernahm er im Theaterbüro an der Wilhelmstraße die Verantwortung für Marketing und Vertrieb. „Popos auf Plätze bringen“, so beschreibt er augenzwinkernd seine wichtigste Aufgabe.

Pachtvertrag für Mondpalast läuft bis 2038
Für sich hat Marvin Boettcher den Begriff „Theaterdirektor“ gewählt. Der Prinzipal bleibt der Prinzipal. „Es kann schließlich nur einen geben“, schmunzelt Boettcher. Christian Stratmann wird auch weiterhin an der Wilhelmstraße und auf Zeche Ewald anzutreffen sein – als Berater und als „Gästeversteher“ an der Eingangstür. An einer guten Zukunft der Paläste wird auf allen Ebenen bereits unter Hochdruck gearbeitet. Für Ende April bereitet Marvin Boettcher im Mondpalast unter dem Titel „Ganz in Weiß!?“ die erste Komödienpremiere unter seiner alleinigen Verantwortung vor. Der Pachtvertrag für das Volkstheater im ehemaligen städtischen Saalbau wurde vor wenigen Tagen bis 2038 verlängert. Und im RevuePalast Ruhr in Herten geht nach dem Mega-Erfolg von „Diamonds & Glamour“ nach der Sommerpause eine neue Travestie-Show an den Start. 

INTERVIEW CHRISTIAN STRATMANN

„Da müssen jetzt Jüngere ran!“

Nach 20 Jahren an der Spitze übergibt Prinzipal Christian Stratmann seine Theater ab April an einen jüngeren Nachfolger und bleibt als Berater an Bord – Im Gespräch erläutert Stratmann seine Beweggründe und Hoffnungen 

Im April 2023 wechseln der Mondpalast von Wanne-Eickel und der RevuePalast Ruhr auf Zeche Ewald den Besitzer. Die alleinige Verantwortung übernimmt der Kulturmanager Marvin Boettcher aus Herne. Wie kam es dazu?
Christian Stratmann: Ich gebe den Mond- und den RevuePalast aus Altersgründen ab. Schließlich habe ich gerade meinen 72. Geburtstag gefeiert. Jetzt ist die Zeit für einen Relaunch, neue Werbeformen, neue Instrumente, um Gäste wiederzugewinnen. Jetzt müssen Jüngere ran. Vor 20 Jahren war ich ein fantastischer Marketingspezialist, doch die Zeiten haben sich geändert. Den endgültigen Ausschlag gab der plötzliche Tod meines Bruders Dr. Ludger Stratmann. Er hatte noch drei Vorstellungen vor der Brust und kippte einfach um. Dabei wollte Ludger längst kürzertreten. Das soll mir nicht passieren.

Warum haben Sie sich für Marvin Boettcher als Nachfolger entschieden?
Christian Stratmann: Marvin Boettcher hat bereits als Student die Arbeit in beiden Palästen von der Pike auf kennengelernt. Danach hat er die Zeit genutzt, um die Kultur- und Eventbranche aus allen Perspektiven zu erkunden. Ich weiß, dass er als Kind des Ruhrgebiets für die Paläste brennt. Er hat die Energie und die Kompetenz, die Theater in meinem Sinne zu erhalten und in die Zukunft zu führen. Genau wie ich verkörpert er unbedingte Qualitäts-, Service- und Gästeorientierung. Er hat den richtigen Blick für Inhalte, Personal, Marketing und Vertrieb. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Mondpalast von Wanne-Eickel und der RevuePalast Ruhr mit Marvin Boettcher eine tolle Zukunft haben werden.

War von Anfang an klar, dass Sie die Häuser quasi im Paket abgeben werden?
Christian Stratmann: Anfangs habe ich tatsächlich überlegt, den RevuePalast allein weiterzuführen. Schnell wurde mir klar, dass es betriebswirtschaftlich viel vernünftiger ist, alles in eine Hand zu legen und die Synergien zwischen den Häusern zu nutzen – das Theaterbüro, das Ticketsystem, die Hotline. So steht Marvin Boettcher die Möglichkeit offen, später mal ein drittes und viertes Theater zu eröffnen, ohne die Infrastruktur erweitern zu müssen.

Mit welchem Gefühl treten Sie aus der ersten Reihe zurück?
Christian Stratmann: In stillen Minuten frage ich mich: Was mache ich jetzt mit der freien Zeit? Dann stellt sich aber schnell ein Gefühl der Erleichterung ein. Ich werde erst einmal ein paar Tage nur lesen und meine Lieblingsdokus im Fernsehen schauen. Dann fahre ich für ein paar Tage weg. Ich werde das Gefühl genießen, keine Verantwortung mehr tragen müssen.

Wie oft werden wir den Prinzipal noch in den Palästen sehen?
Christian Stratmann: Mit Sicherheit noch bis Ende 2025, denn ich bleibe den Häusern in beratender und repräsentativer Funktion erhalten. Ich werde in der nächsten Zeit den Einlass und die Begrüßung übernehmen, wenn dies gewünscht wird. Wann immer Marvin Boettcher meinen Rat sucht, werde ich meine Erfahrungen, die ich in 20 Jahren sammeln durfte, gerne mit ihm teilen. Ob er meine Empfehlungen annimmt, wer weiß? Marvin Boettcher gehört jetzt das Unternehmen. Er entscheidet. Allein.

INTERVIEW MARVIN BOETTCHER

„Ich bin gekommen, um zu bleiben!“

Der Herner Kulturmanager Marvin Boettcher übernimmt ab April als neuer Eigentümer die alleinige Verantwortung im Mondpalast und im RevuePalast – Im Interview erläutert der 35-Jährige seine Beweggründe

Im April 2023 werden Sie als neuer Eigentümer in der Nachfolge von Christian Stratmann die alleinige Verantwortung im Mondpalast von Wanne-Eickel und im RevuePalast Ruhr auf Zeche Ewald in Herten übernehmen. Wie kam es dazu?
Marvin Boettcher: Schon während meines Studiums habe ich die Arbeit im Mondpalast von Wanne-Eickel und im RevuePalast Ruhr von Grund auf kennengelernt. Ich spürte schnell, wie sehr mich die glitzernde Welt des Entertainments fasziniert. Als sich 2022 abzeichnete, dass Christian Stratmann für beide Häuser einen Nachfolger suchte, habe ich mit beiden Händen zugriffen. Ich glaube aus tiefstem Herzen an die grandiose Idee, die hinter den Palästen steht: an die Professionalität der Akteure, an die Gastfreundschaft, das Zeitvergessen und dass die Gäste mit ihrer Garderobe an der Tür auch ihre Sorgen abgeben und eine gute Zeit verbringen können. Die Theater sind es unbedingt wert, erhalten zu bleiben. Dafür zu arbeiten, das ist es, was ich liebe, und was ich tun will. Ich bin gekommen, um zu bleiben.

Warum sind Sie der richtige Mann für diese Aufgabe?
Marvin Boettcher: Mein Studium hat mich auf die Mechanismen der Kultur- und Veranstaltungsbranche hervorragend vorbereitet. Neben meinen Arbeitsphasen für den Mond- und RevuePalast habe ich mich intensiv umgeschaut und ein großes Netzwerk aufgebaut: vom Thalia Theater in Hamburg über die Werbe-Agentur Jung von Matt bis hin zur Messe Dortmund und dem GOP Varieté in Essen und Bonn. Als ich im August 2022 zum dritten Mal voller Vorfreude ins Theaterbüro nach Wanne-Eickel zurückkehrte, war zwischen Christian Stratmann und mir bereits vereinbart, dass sich an den Besitzverhältnissen in naher Zukunft etwas ändern würde. Zudem hat die Stadt Herne vor wenigen Tagen den Pachtvertrag für den Mondpalast bis 2038 verlängert, wofür ich Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda,
Stadtdirektor Dr. Werner Klee und dem Kulturdezernenten Andreas Merkendorf sehr dankbar bin.

Welche Rolle wird der Prinzipal Christian Stratmann in Zukunft in den Palästen spielen?
Marvin Boettcher: Ich freue mich sehr, dass uns Christian Stratmann mit seiner enormen Erfahrung in den nächsten Monaten und Jahren beratend und repräsentativ zur Seite stehen wird. Es ist ein beruhigendes Gefühl, dass ich bei Bedarf immer seinen Rat suchen kann. Ich werde von seinem Angebot Gebrauch machen, denn ich möchte auf jeden Fall Fehler, die sich vermeiden lassen, auch vermeiden.

Welches sind Ihre wichtigsten Aufgaben?
Marvin Boettcher: „Popos auf Plätze bringen“ – das ist meine wichtigste Aufgabe. Dafür wollen wir in Zukunft alle digitalen Möglichkeiten nutzen, die zum Mondpalast, dem feinen Komödienhaus in Wanne-Eickel, passen. Wir sind nicht an der Kö, und wir sind nicht auf der Reeperbahn. Deshalb müssen wir einen besonderen Weg gehen. In der Vergangenheit hat Christian Stratmann auch in seiner Heimatstadt Essen mit Erfolg ein großes Netzwerk und viel Reichweite aufgebaut. Mein Fokus wird zusätzlich auf dem Mittleren und dem Östlichen Ruhrgebiet liegen, wo wir noch viele neue Gäste begeistern können.

Seit der Eröffnung 2004 hat der Mondpalast im Marketing auf digitale Instrumente zurückgegriffen – die Gäste-Datenbank Segmentia, den Dienstleister AdForce. Wie sieht Ihre Digital-Strategie aus?
Marvin Boettcher: Die Digital-Experimente der ersten acht Monate waren sehr erfolgreich. Wir pflegen sehr bewusst einen Mix aus klassischer PR- und Marketing-Arbeit für print, Radio, Newsletter und Social Media, kombiniert mit innovativen Instrumenten wie Interstitials, Inbox-Mailings oder Adressable TV. Wir sind zwar noch nicht wieder dort, wo wir vor Corona hergekommen sind, aber auf dem besten Weg dahin. Dank der Komödie „Waschtag“ strömen unsere Stammgäste zurück ins Haus. Auch Klassiker wie „Flurwoche“ oder „Ronaldo & Julia“ sind gut gefüllt. Die Gäste nehmen uns als Volkstheater wieder wahr. Sie haben wieder Lust auf gute Unterhaltung. Diese Tendenz stimmt uns optimistisch.

Hat sich das Publikum verändert?
Marvin Boettcher: Ja, auf jeden Fall. Wir stellen fest, dass zunehmend jüngere Gäste zu uns kommen. Ich führe das auf die Tatsache zurück, dass wir neue – digitale – Werbekanäle nutzen, die wir vorher nicht oder nicht in ausreichendem Maße bedient haben.

Werden sich auch die Komödienstoffe verändern?
Marvin Boettcher: Nein, dazu sehe ich keine Notwendigkeit. Der Mondpalast hat schon immer alle Generationen angesprochen. Wir sind das Ausflugsziel für die ganze Familie, von Oma bis Enkel und alles dazwischen. Natürlich haben wir bei mehr als 30 Komödien mal danebengelegen, aber im Großen und Ganzen immer den Nerv der Gäste getroffen. Das Credo, das Christian Stratmann 2004 formuliert hat, gilt nach wie vor: Wir wollen in der Alltagswirklichkeit der Menschen stattfinden. Allerdings hat sich diese Alltagswirklichkeit in den vergangenen 20 Jahren gewandelt. Diese Veränderung auf unterhaltsame Weise zu berücksichtigen, – das wird die große Herausforderung sein. Deshalb blicken wir schon sehr gespannt auf unsere neue Komödie „Ganz in Weiß!?“, die Ende April Premiere hat. Heiraten ist ein Thema, das die Menschen immer wieder bewegt. Dazu kann man doch nur Ja sagen.

Quelle: JournalistenBüro Herne GmbH